Sonnen- und Mondgrüße

Passend zum Semesterthema Vinyasas-Yoga im Atemfluss ein paar Bemerkungen zu Sonnen- und Mondgrüßen. Den Sonnengruß surya namaskar kennt in irgendeiner Form jeder, der mit Yoga in Berührung kommt. Der Mondgruß ist wesentlich weniger bekannt und verbreitet. Ich persönlich bin erst am Ende meiner ersten Yoga-Ausbildung darauf gestoßen, als meine Ausbildungsleiterin durch eine Lehrerin aus der Kripalu Yoga-Tradition vertreten wurde, in der diese Serie gängig ist.

Sonne und Mond stehen symbolisch für innere Anteile in uns
Dass Sonne und Mond im Yoga eine große Bedeutung haben, sieht man schon in der Bezeichnung Hatha Yoga: Die Silben Ha und Tha stehen für Sonne und Mond und damit für die weiblichen und männlichen Anteile in uns.

Für mich ist der Sonnengruß die eher „männliche“ Serie, weil er mehr rückbiegende und damit der Welt zugewandte Haltungen enthält, aber auch wegen der Aktivierung der Bauchkraft in der schwierigeren Variante. Die fließenden Bewegungen wechseln zwischen Aufrichtung bzw. Rückbeuge und Schließen bzw. Vorbeuge und bereiten dadurch länger gehaltene Vor- oder Rückbeugen im Lauf der Praxis vor.

Bei Satyananda hab ich gelesen, dass Sonnengrüße aus älteren Sonnenkulten übernommen wurden und keine traditionelle Yoga-Praxis sind. In den Veden wurden zwar schon Haltungen in Verbindung mit der Verehrung der Sonne beschrieben, diese hätten mit dem Sonnengruß aber nichts zu tun. Sonnengrüße können auch mit vedischen Mantras verbunden werden, die die unterschiedlichen Qualitäten der Sonne mit verschiedenen Namen preisen. Der Sonnengruß aus der Sivananda (und Satyananda-) Tradition besteht aus 12 Haltungen, die den Lauf der Sonne durch die 12 Monate des Jahres symbolisieren.

Viele Varianten von Sonnengrüßen, viele Varianten von Mondgrüßen
Vom Mondgruß zirkulieren ebenfalls viele Varianten, die sich stärker unterscheiden als jene des Sonnengrußes. So unterscheidet sich die Variante der Satyananda Tradition nur in einer Haltung vom Sonnengruß. Er integriert Ardha Chandrasana, (s.Abb.), die Haltung des zunehmenden Mondes, der eine Wirkung auf die Eierstöcke zugeschrieben wird. Ganz anders die Variante aus dem Kripalu Yoga: diese Variante öffnet die Rumpf-Seiten und die Hüften (durch die Integration der halben Hocke; Abb. 2 u 3) und spricht die Innenseiten der Beine an, wo die (weiblichen) Yin-Meridiane verlaufen. Zwar hat auch der Mondgruß wegen der dynamischen Ausführung eine aktivierende Wirkung, aber die hüftöffnenden Haltungen, die er vorbereitet, werden in der Regel länger gehalten und laden ein zum Hineinspüren und loslassen. Ich unterrichte wie auch beim Sonnengruß verschiedene Mondgruß-Varianten für verschiedene Übungs-Levels, zum Kennenlernen gern auch eine Mischung zwischen Sonnen- und Mondgruß.

 

Sonnnen- und Mond-Qualitäten
Typische Qualitäten der Sonne sind für mich Aktivität, Lebensfreude- und Lebenskraft, Energie, Flexibilität, Optimismus. Sie können durch die Praxis des Sonnengrußes gestärkt werden. Dem Mond würde ich z.B. Entspannung, Regeneration, Sensibilität, Achtsamkeit, Tiefgang, Akzeptanz zuordnen. Für die Auseinandersetzung mit feinstofflichen Yoga-Qualitäten ist die Praxis von Pranayama bekannter als die der Körperstellungen. So regt zB der Wechselatem nadi shodana die Energiebahnen ida und pingala links und rechts der Wirbelsäule an, die dem Mond und der Sonne zugeordnet sind. All diese Praktiken können verwendet werden, um ein Gleichgewicht herzustellen oder auch, um bestimmte Aspekte oder Qualitäten gezielt zu stärken.